..die Stullen meiner Oma....

Es ist ein Sommertag im Juli, etwas bedeckt, es nieselt …. Zweige und Blätter wiegen sich im lauen Wind, der sicherlich auch die Kornfelder wie Wellen erscheinen lässt…

Ich sitze auf dem Balkon, sehe in die Baumkrone der Kastanie. Dort tummeln sich Tauben aller Art, Stieglitze, Kleiber und Meisen. Ich kenne sie alle, sie bringen mir an jedem Morgen ein Ständchen.

Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf, höre etwas Musik. Gerade läuft von Reinhard Mey der Lied „ Butterbrot „.

Ich habe Gänsehaut, denn durch dieses Lied werde ich an meine Oma, an meine Kindheit, erinnert; an ihre Stullen, die sie uns allen schmierte…

In meiner Nase ist der Geruch nach frischem Brot vom Bäcker Hundt aus Wendisch Waren, die selbstgemachte Butter und der Schinken sind zu riechen und zu schmecken.

Irgendwie, so sage ich oft, bin ich am Wegesrand aufgewachsen. Im Oktober 1949 geboren, bin ich also ein waschechtes DDR Kind.

Meine Großeltern hatten ein Stück Land nach der Bodenreform erhalten. Kartoffeln, Weizen, Gerste und Hafer wurden angebaut, auch Rüben.

Wenn Opa, Oma und meine Mutti auf den Acker gingen, kamen wir Kinder selbstverständlich mit; anfangs im Kinderwagen, in der Sportkarre, dann eben auf dem Pferdewagen; einen Kindergarten gab es nicht.

An einem schattigen Plätzchen wurden wir in Sichtweite abgesetzt. Spielzeug brauchten wir nicht, man fand am Wegesrand einfach genügend. Und in der Nähe waren auch die anderen Dorfkinder.

Im Schatten stand auch der große Wäschekorb. Sorgfältig hatte meine Oma ihn mit einem Leinentuch ausgelegt. In dem Korb war das Essen für den Arbeitstag auch dem Feld : Stullen mit Mett – und Leberwurst und mit dem köstlichsten Schinken, den ich je gegessen habe. Dazu einige Flaschen Himbeersaft.

( Wurst, Schinken selbst hergestellt, Himbeersaft natürlich auch – Himbeeren aus dem Wooster Wald ).

Das Essen war auch fein säuberlich mit Leinentüchern bedeckt.

Wir Kinder hatten zwar gut gefrühstückt zu Hause, aber als die Mutti und die Großeltern tüchtig bei der Arbeit waren, haben wir erst einmal den Korb untersucht – wie Kinder wohl so sind.

Und wie es dann auf dem Acker schmeckte ; vor allem die Schinkenstullen…Meine Oma konnte der „ roten „ Schinken so toll würfeln, dass ein Stückchen dem anderen glich.

Eigentlich bin ich heute etwas bedrückt, dass ich so war, dass wir einfach so viel weggefuttert hatten, aber..es war mal so. Und außerdem gab es dazu nie ein böses Wort.

Als ich zur Schule kam, hatte ich den Tornister ( heute sagt am Schultasche ) und dazu eine Brottasche, beides aus Leder in braun.

Ich bin sehr gern in die kleine Wooster Dorfschule gegangen, erinnere mich an unsere Lehrer, an die Pioniernachmittage, an Wandertage, an die Pausen.

In der Pause wurde nämlich die Brottasche untersucht. Ich hatte immer unsere Mettwurst oder den gewürfelten Schinken auf den Stullen ; der Geruch und der Geschmack bleiben lebendig.

Später kam ich nach Lübz zur EOS, heute sagt man Gymnasium.

Dort war ich im Internat. Anfangs hatte ich Heimweh, das legte sich aber, denn in meinem Zimmer waren noch drei Mädchen, wir haben uns gut verstanden.

Jeden Sonntag hieß es am Abend - zurück nach Lübz ins Internat. Neben der Wäsche hatte ich immer etwas Essbares im Gepäck : eingeweckte Birnen oder Äpfel und jede Menge an Stullen, die Oma geschmiert hatte – natürlich mit Mettwurst und Schinkenwürfeln.

Kaum im Zimmer gelandet, wurden die mitgebrachten Schätze verglichen und einiges gleich aufgefuttert.

Zisch, Weckglas auf und vier Mädchen langten mit dem Löffel rein, einfach unglaublich gut.

Da erinnere ich mich an Helke aus Dobbin, die in der Spargelzeit immer Spargel mit der besonderen Soße mitbrachte. Und der Eierlikör, klar, der war auch super ?

Aber jeder mochte schon gern meine Stullen.

Später, als ich zum Studium nach Halle fuhr, waren neben anderen Dingen, immer die Stullen von Oma mit, jede Menge…und immer mit Mettwurst und Schinkenwürfeln.

Als unser Opa damals Bauer war, wurde nämlich in jedem Jahr ein- bis zweimal ein Schwein geschlachtet.

Schinken und Mettwurst wurden auf dem Boden in der Räucherkammer geräuchert.

Wenn ich heute auf unseren Boden gehe, sehe ich immer wieder in diese Kammer. Tiefschwarz glänzend die Schicht an den Wänden, noch immer unten auf dem Boden die Schale für die glimmenden räuchernden Sägespäne, an der Decke oben ein Holzkreuz für die Wurst und den Schinken, auch mit einen fetten schwarz- glänzenden Schicht bedeckt – über 100 Jahre alt….und dann, der Geruch, den man nicht beschreiben kann…der Geruch meiner Kindheit, der Geruch nach Mettwurst und Schinken, nach Stulle, die liebevolle Hände geschmiert haben.

..und noch einmal singt Reinhard Mey…Butterbrot…Gänsehaut…

km

Kindheit in Woosten

...nun wird in Kürze die 750 Jahrfeier in Woosten stattfinden.Ich denke
so gern an mein Heimatdorf, nun aber noch viel intensiver.

Wir KInder hatten eine wunderbare Kindheit in diesem kleinen Dorf.Ich
wurde im Oktober 1949 in Goldberg geboren, im damaligen Landambulatorium.

Meine Mutter arbeitete bis zum letzten Tag vor der Geburt in der
Landwirtschaft. Das war einfach so.Nach getaner Arbeit, es wurden
Zuckerrüben herausgemacht ( jede einzeln, das bedenke man ), schrubbte
sie am Abend nach dem Abendbrot noch die Küche, legte Kleidung für den
nächsten Tag bereit.

Gegen 22 Uhr fingen die Wehen ein; sie weckte meinen Vater, der im
Moment gar nicht wusste, was los ist...aber dann weckte er meine
werdenden Opa.Erspannte die Pferde an, legte Stroh auf den Wagen ,
meine Mutter dann darauf, mit Decken versehen...so fuhren sie des Nachts
nach Goldberg...es holperte ziemlich doll, nach Aussagen meiner
Mutti...aber das war wohl ganz gut...so kam ich dann mit Hilfe einer
sehr netten Hebamme auf die Welt.

Eine schöne Kindheit in Woosten begann, mit Oma, Opa, dem Urgossvater und
den Eltern...später dann mit den Geschwistern und vielen Freunden aus
dem Dorf.

Auf dem Hof gab es Hühner, Enten, Puten, Hund und Katze, natürlich im
Stall Kühe, Perde, Schweine und Schafe.

An langen Urlaub nach der Geburt war damals nicht zu denken, also -
wurde der Kinderwagen samt Kind mit auf den Acker genommen.Ich wuchs am
Wegesrand auf :) Das war wunderbar
Einen Kindergarten gan es auch erst später...somit wurde der Wegesrand
der Spielplatz für viele Dorfkinder.

Meine Oma hatte, wenns auf die Felder ging, immer gut für Essen
gesorgt.In einem grossen geflochtenen Korb, ausgelegt mit einem
Küchenhandtuch, waren viele Stullen - mit Mettwurst und Schinken . sowie
Himbeersaft.

Wenn Oma , Opa und Mutti mit der Arbeit anfingen, untersuchten wir,
obwohl gar nicht hungrig, erst einmal den Korb...und futterten Etliches
weg.Es wurde aber nie geschimpft...

Da viele Bauern hier ihre Ackerstücke hatten, gabs genügend Kinder,
mit denen wir dann spielten.Aber Spielzeug brauchten wir nicht, man fand
genügend in der Natur : Interessant geformte Steine, Stöckchen,
Kartoffelknollen....und mehr. Und wir hatten uns....zum Verstecken,
Lachen und auch Zanken, ganz klar.

Auf die Schule habe ich mich sehr gefreut.Zum Schulanfang gab es eine
Schultüte, sicherlich mit Schönen..was drin, was, das weiss ich nicht
mehr. Feiern gab es damals für uns nicht.

Also ging es frohen Mutes 1956 in die Wooster Dorfschule.

In unserer Schule gab es Unterricht für die Klassen 1 bis 4, also Grundschule.Stolz trug ich meinen Tornister, braunes Leder ,und die dazu passende Brottasche. In der Brottasche hatte ich immer eine Klappstulle mit Wurst, klar, Mettwurst, von Oma selbstgemacht, einfach köstlich, ok, auch Schinken war drauf, immer ganz klein gewürfelt, passend für ein kleines Mädchen. Ich bin meinem Lehrer, Herrn Frtz Kettner, immer noch dankbar, auch Frau Anni Bielke.Beide haben uns Kindern viel beigebracht . das ABC ,das Schreiben , das Lesen und Rechnen , Zeichnen und Singen. Für mein Leben gern habe ich mit Kreide an der Tafel geschrieben und gezeichnet, mochte auch gern anderen Kindern helfen und wusste damals schon, dass ich Lehrerin werden möchte. Und klar, ich wurde auch gern Pionier, mochte die Pioniernachmittage gern.Wir haben an diesen Nachmittagen viel unternommen.Ich erinnere mich auch an die vielen Altsoffsammlungen... Spannend in dieser Zeit war auch, dass ab und zu jemand mit dem Fahrrad kam und Filme zu Schule brachte.Das war ja was...so sahen wir unter anderem den Film Stadtmaus und Landmaus... Bewegte Bilder, unglaublich... Oft besuchten wir unsere Patenbrigade auf der Ziegelei Wendisch Waren. Einmal waren wir recht beladen mit Kiepen , in denen aus Ton geformten Achenbecher für den Vater und Bonbonieren für die Mutti gut verstaut waren.Wir wanderten damit durch den Wald zur Ziegelei, hier wurden die Teile gebrannt und glasiert. Wir bekamen sie dann vor dem Weihnachtsfest zurück und konnten sie mit

Freude an die Eltern verschenken...

Neben vielem Wissen, was uns vermittelt wurde , achtete unser Lehrer auch sehr auf , ich sage mal Alltagsdinge - Ordnung, Sauberkeit und auch Disziplin. Jeden Tag mussten wir ein sauberes Taschentuch vorzeigen , er kontrollierte, ob die Zähne geputzt waren , ab und zu auch die Ohren...und wir lernten auf dem Turnplatz neben der Schule das Grüßen. Er sezte sich auf eine Bank und wir KInder gingen an ihm vorbei , die Mädchen GUTEN TAG und Knicks , die Junegn GUTEN TAG und Diener...bis es gut war. Hat uns nicht geschadet :) Zum Weihnachtsfest wurde ein Theaterst??ck eingeprobt, jedes Jahr. Und jedes KInd bekam eine Rolle in dem St??ck. Voller Stoz war ich einmal das Schneewittchen. Gleichzeitig wurde von der Christenlehre aus die Weihnachtgeschichte, klassisch, eingeübt, das mochte ich auch gern. Bin nämlich gern zur Christenlehre gegangen.Ich mochte unseren Pastor Wolfgang Schmidt undd seine Frau Inga Hill, sie stammte aus Finnland, sehr gern, habe mit deren Kindern gern gespielt. Der Kontakt zu Wolfgang Schmidt hielt bis zu seinem Tod. Wir Kinder im Dorf haben immer gern zusammen gespielt.Manchmal bei uns auf dem Hof, mal hier, mal dort...am liebsten aber trafen wir uns am Häckselschuppen, nahe der Dorfpumpe.Der Häckselschuppen gibt es heute nicht mehr... Jeden Abend oder nachmittag war dort Treff : Rosi, Richard, Bernd, Bobby, Marlies ,Margrit, Manfred....und auch ich war dabei. Hier wurde bis zum Dunkelwerden K - Versteck gespielt, zum Leidwesen der Frauen, die im Haus wohnten, um das wir täglich tobten.Aber das Schimpen half nichts, die Großen liessen nicht locker...und wir mit. Im Winter spielten wir oft auf dem zugefrorene Sumpfloch hinter unserem Haus.Das war Freude pur, auch zum See durften wir, wenn die Eisfläche gut dick war.Die Jungen spielten dann Eishockey, als Puck diente ein Stück Kohle, den Stock herzustellen war nicht schwer, den Jungen hats gefallen.

Ich konnte nur etwas hin und her laufen mit den Schlittschuhen.

....so vergingen die Jahre der Grundschulzeit.

Als ich in die 5. Klasse kam ,mussten wir nach Karow fahren.Wenn wir zurück waren, blieb nicht mehr viel Zeit zum Spielen , da wurden aber die Ferien gut genutzt.

Wie auch viele andere Kinder des Dorfes habe ich gern auf dem Acker geholfen.Mit Mutti Rüben zu verziehen, das hat Freude gemacht.Man kroch auf den Knieen und hatte eine kleine Hacke, mit der man arbeitete...Wenn man sich dann umdrehte, sah man das Ergebnis, prima. Und ich mochte gern mit meiner Mutter erzählen...

Sie dachte gern an ihre Heimat zurück, Ostpreussen, berichtete mir beim Arbeiten über das Leben dort: Erinnerung an des gossen See, die Wälder mit den vielen Blaubeeren...an ihre Kindheit...

Und sehr gern mochte ich als Kind Kartoffeln sammeln.

Mein Opa hatte einen Kartoffelroder.Die zwei Pferde wurden vorgespannt und los gings...alle hatten ein abgestecktes Stück, um dort die herausgeschleuderten Knollen zu sammlen.Wir haben das ganz emsig gemacht...und gern.

Wenn unser Acker fertig war, haben wir Kinder auch gern bei anderen Bauern geholfen.Dort gabs etwas Taschengeld und Kuchen oder so; es schmeckte eben mal anders.

Das Geld habe ich immer gespart.Das fing schon in der Grundschule an...Spare in der Schule Kreissparkasse Lübz, so hiess es.Für das Geld gabs Marken, die man in ein Heftchen kleben musste. War es voll, nahm man es zur Schule mit.Herr Kettner sorgte dann für den Rest. Fleissige Sparer bekamen für ein volles Heftchen auch kleine Aufmerksamkeiten - Heftumachlag aus Papier ; Lineal...es stand dann auch Sparkasse Lübz drauf.Am besten hatte mir damals ein Lesezeichen gefallen - es war irgendwie fest und durchsichtig mit Türmen drauf - und - es stand dabei . Goldene Stadt Prag.So etwas Schönes...viel später habe ich mir dann Prag angesehen.

Ja, es gibt eigentlich immer noch mehr...an das man sich gern erinnert...in Woosten...

Die schöne Kirche, die alte Schule, der See,unser Zuhause, das Gutshaus...unseren Wald...und immer wieder höre ich meine Schulfreunde erzählen, höre sie lachen und manchmal auch weinen, rieche die Himbeeren im Wald, rieche den frisch gepflügten Acker...und ich denke an die Familie...

Es ist eben Woosten.km


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