Der alte Gartenschlauch

Sorgsam aufgerollt hing er, der alte Wasserschlauch, in einem Holzschuppen.Wie lange er so sein Leben schon fristete, das wusste er gar nicht mehr. Er fühlte nur die Winterkälte, bemerkte, wenn der Frühling kam und die Sonne durch die Holzritzen blinzelte, fühlte den Sommer, hörte ab und zu Stimmen von weit her.

Ach ja, der August, er hatte ihn doch jeden Tag an der frischen Luft, goss damit alle Pflanzen des Gartens und rollte ihn, fein gesäubert, wieder auf, hängte ihn an die besondere Stelle im Schuppen. Nicht so die Emma, nein, die mochte auch gern die Blumen gießen, aber sie ließ ihn dann einfach auf dem Erdboden liegen. Was machte das schon, der August vergaß ihn nie ; wortlos machte er ihn sauber, rollte ihn auf, hängte ihn weg; so ging das hast jeden Tag im Sommer. Das war ein Leben, ach ja davon konnte er nun nur noch träumen.

Eines Tages war die Emma nicht mehr da , August kam allein und redete mit ihm, mit dem Gartenschlauch.

Ja, nun war August allein und auch ihm fiel die Arbeit im Garten schwer. Früher, ja, früher, da grub der ihn allein mit dem Spaten um, Scholle für Scholle. Es war ein Genuß, ihm dabei zuzusehen. Und dann kamen die Kartoffeln in die Erde, Erbsen, Bohnen, Salat alles, was man sich so denken konnte.

Emma hatte mit den Blumen zu tun.

Und es kam Freude auf, wenn es an das Gießen ging. Ja, endlich kam Leben in den Gartenschlauch. Hier und dort, überall durfte er das Wasser laufen lassen.

Manchmal gab es auch einen Regenbogen und Emma und August waren so fröhlich.

Lange ist das her.


August kam immer seltener und dann sagte er , ach ja, ich weiß nicht, ob und wann ich wieder kommen kann.

Alle Gartengeräte hatte er fein säuberlich an Ort und Stelle gerückt , den alten Gartenschlauch sauber und sorgfältig aufgerollt und an seine bekannte Stelle im Schuppen gehängt .

Dann schloss August die Holztür zu , der alte Gartenschlauch konnte sich noch gut an diesen letzten Moment erinnern.

Lange, ja, sehr lange wartete er auf den August.

Es war so einsam ohne ihn, kein Wasser, kein Lachen, keine Sonne nicht mal Emma, die ihn immer so liegenließ, im Garten.

Ab und zu luscherte die Sonne durch die Ritzen des Schuppens , ab und zu hörte er von weitem Stimmen aber niemand öffnete die Schuppentür.

Soll das nun mein Ende sein , dachte der alte Gartenschlauch.


Wieder wurde es Frühling.

Er rekelte sich, aber er hätte sich gern ausgerollt und er hätte so gern das fließendes Wasser gefühlt. Ach ja so stöhnte er einmal vor sich hin. Er hörte die Vögel zwitschern, hörte das Summen der Bienen , ihm wurde ganz schwer ums Herz.

Aber was denn das?

Da waren doch Schritte , er kannte das Geräusch zu gut, dachte an den August.

Jemand steckte den Schlüssel in das schon rostende Schloss , drehte ihn um. Sein Herz pochte, ganz doll, was wird nun wohl kommen ?

Die Tür ging auf , die helle Sonne blendete den alten Wasserschlauch . Doch plötzlich sah er einen kleinen blonden Jungen in den Schuppen schauen.

„Sieh mal, Papa , eine ganz alte Harke, die ist aber schön und dort ein alte große Wanne!“

Der August, so der Vater, ja, der August hat alles immer sehr sorgfältig aufbewahrt. Er liebte seinen Garten. Nun gibt es den August nicht mehr , aber er hat uns seinen Garten geschenkt.

„Oh,“ rief der kleine Junge , „sieh mal, da hängt auch ein ganz langer Gartenschlauch.“

Der alte Gartenschlauch wurde ganz unruhig was nun wohl passiert.

So lange hatte er gewartet, war oft so verzweifelt, so einsam und allein und nun war da dieses Kind mit dem Vater.

Der Vater nahm die alte große Zinkwanne aus dem Schuppen , holte den Schlauch, schloss ihn an den Wasserhahn an, drehte auf und dann , ja dann, dann floss nach so langer Zeit das frische Nass durch den alten Schlauch.

Es war so nass, so schön, dem alten Gartenschlauch flossen die Tränen.

Die Zinkwanne füllte sich, das Wasser sprudelte nur so und der kleine Junge hopste mit großem Vergnügen in die Wanne, was für ein Spaß.

Der August hätte wohl seine Freude an allem gehabt, sicherlich die Emma auch.

„So,“ sagte der Vater , „nun gehört uns der Garten, wir werden viel Arbeit und noch mehr Freude haben.“

„Und ich,“ sagte der kleine Junge , „ich werde immer alles gießen , mit dem alten Gartenschlauch.“

Nun geht das Leben weiter, mein schönes Leben, dachte der alte Gartenschlauch und ließ das frische kühle Wasser fließen und fließen und fließen.

Und bestimmt weiß er es, der August, ja, bestimmt.......

km

Der süße Brei oder die Erziehung der Hirse

Es war einmal ein kleines Mädchen, das mit seiner Mutter ganz allein lebte. Sie waren in großer Not und hatten nichts zu essen. So ging das kleine Mädchen betteln. Ein altes Mütterchen schenkte dem Kind einen Topf und sagte, nun werdet ihr nie wieder Hunger haben.

So beginnt das Märchen „Der süße Brei“ ( Gebrüder Grimm ).

Dieser nie endende Brei war Hirsebrei.

Aber wer hat schon eine Hirsepflanze gesehen ?

Wir kennen wohl Kartoffelfelder ,Weizen, - Gerste , - Hafer und Roggenschläge, kennen die riesigen Rapsfelder, die wohl endlos erscheinen, sehen überall den Mais.

Hirse ?

Vor kurzem sah ich in Südfrankreich ein Feld. Die Pflanzen ähnelten dem Mais, nicht aber die Frucht am Ende des Stängels.

Was ist das?

Ich mußte zu dem Feld, sah mit die Pflanzen genau an und vermutete, dass es Hirse ist, war mir aber nicht ganz sicher. Aber, man hat ja das Internet und kann suchen, vergleichen, man kann auch Freunde fragen.

Und es ist die Hirse. Gleich fiel mir das Märchen vom süßen Brei dazu ein.

Hirse ist die älteste Getreideart , die viele Mineralstoffe enthält und sehr bescheiden leben kann ; selbst bei wenig Niederschlag hat man eine recht gute Ernte erhalten.

Sie wird heute noch in den USA, Asien und Afrika angebaut , auch in warmen Ländern wie Frankreich findet man ihren Anbau.

Verwendet wird Hirse als Brei ( auch heute noch ) und als Viehfutter.

Es gibt etliche Hirsearten, wie z. B. Rispenhirse ,Kolbenhirse , Rohrkolbenhirse, Teff ( Zwerghirse ) oder auch die Mohrenhirse ( Sorghum bicolor ).

Letztere , man nennt sie auch Zuckerhirse , gehört zu den wichtigsten Hirsearten.

Diese fand ich nun hier auf einigen Feldern; vermutlich dient sie als Futterpflanze.

Die Erträge sind recht gut, man spricht von 9 bis etwa 15 dt / ha.

Und wer im Netz mal sucht, findet eine ganze Menge über die Pflanze.

Z. B. Die Hirsebreifahrt von 1456 von Zürich nach Strassburg. Oder von B. Brecht „Die Erziehung der Hirse“.

Und ich werde mit Sicherheit mal den Hirsebrei „den süßen Brei kochen und kosten“.

Und an das Märchen denken.

km

.....Die Kornrade....und Walter Kintzel........

Die Kornrade, für mich die Blume meiner Kindheit - denn damals, vor über 30 Jahren, gab es sie noch am Feldesrand inmitten des Getreides. Bei uns hinter dem Garten, am Sumpf und am Wegesrand.

Sie ist eine Blume, die meine Mutter mir immer wieder zeigte, erzählte, dass sie giftig sei, sie mich vergleichen liess mit der Malve und Geschichten über den Mohn und die Wegwarte erzählte. Fasziniert war ich damals.

Ich bin "Baujahr" 1/1979, in der DDR aufgewachsen und habe meine "jungen Jahre und die Wende" aktiv und bewusst miterlebt.

Damals, wie auch heute, wie auch alle meine Vorfahren, lebte und lebe ich in Woosten, dem alten Rittergut an der Seenplatte Mecklenburgs. Landwirtschaftlich geprägt. Immer schon. Immer noch. Mit meiner Familie und auch der Natur aufgewachsen, erlebte ich meine Kindheit als eine sehr schöne, interessant und vor allem abenteuerlich. Selbst Blumen wie die Wegwarte, die Kornrade oder simpler Mohn waren für mich wie ein besonderes Erlebnis.

Die Pflanzen, die man von deren Gattungen sah, wuchsen bei uns am "Sumpfloch", also einem Soll, Endmoränengewässer, an dem die konventionelle Landwirtschaft versagte, oder wenigstens nicht ganz so effektiv wirkte. Vielleicht auch mit ein bisschen Glück, wenn die Melioration (Trockenlegung) der Äcker nicht einwandfrei funktionierten und solche Sölle überlebten. Verwinkelungen, feuchte Stellen, ja, da kamen die damals riesig wirkenden Traktoren, Mähdrescher usw. kaum hin. Düngerstreuer genauso, ausser aus der Luft, nun, das war ja damals auch üblich, dass mineralische Düngemittel auch mit dem Flugzeug ausgebracht wurden.

Mich faszinierte diese Blume, also die Kornrade, schon damals, meine Mutter, Karin Mußfeldt, Biologielehrerin, Fachberaterin und Umweltschützerin mit Leib und Seele, erzählte und zeigte mit viel. So also auch über diese Blume. Und was sie ausmacht, was sie schützenswert macht und was sie fast zum Aussterben brachte. Auch Walter Kintzel, Lehrer meiner Mutter, sowie mein Lehrer für einige Zeit, brachten mich der Natur näher.

Viele meiner Generation und der Vorhergehenden erinnern sich sicher an Plau Heidenholz, die Station junger Naturforscher und Techniker, an so manche Exkursion zur Alten Elde , ins Darzer Moor und vielen weiteren Naturschutzgebieten.

Das alles war damals, vor 1989.

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2014. Agrarwirtschaft mit Monokulturen, wie zu DDR Zeiten und nach der Wende von westlicher Seite als "sozialistisch" und unnatürlich abgewertet, ist nun wieder "herrlicher" Alltag in der Landwirtschaft. Die einst riesig wirkenden Bodenbearbeitungs- und Erntemaschinen wirken gegen Heutige eher verspielt und haben schon Museumswert. Mais, Raps, ... ja, diese Sorten dominieren das landwirtschaftliche Bild der Äcker und Felder heute.

Abwechslung? Brache? Fruchtfolge? Nachhaltigkeit? Nein, warum auch, wenn Profit und Preis - Dumping an erster Stelle stehen. Billigfleisch... Billiglebensmittel... Biogas... Bioenergie... Bio Siegel ....nunja...

BIO......->

B I O - Das Wort mit dem gewissen Zauber, der selbst jede Schandtat der Landwirtschaft, der Gesellschaft, wieder wett macht und die Kassen klingen lässt. Klingen lassen soll, zumindest.

Doch was ist wirklich BIO? Vernichten von Lebensmitteln bzw. deren Herkunft zugunsten der Kraftstoffherstellung? Einhalten bestimmter " Obergrenzen", wieviele Hühner neuerdings in einen Käfig gepfercht werden dürfen, damit Richtwerte eingehalten werden können, damit das Wort Käfighaltung nun endlich "Kleingruppenhaltung" entspricht? Um des Frühstücks Eies Willen? Ein Ei zum Preis von weniger als 10 Eurocents? Verfüttern von Tiermehl - also dem Verfüttern von tierischen Material (Abfällen aus der Schlachtung, Innereien usw. ) an Tiere der teils selben Gattung als Futtermittel? Bei den Rindern führte dieses zu dem wohl weltweit bekannten BSE Skandal....

Pflanzenschutzmitteleinsatz auf Teufel komm raus? Antibiotika zu Gesunderhaltung eines krankhaft am Leben erhaltenen Nutztierbestandes? Doch die "Anklage" richtet sich nicht gegen die Landwirte! Im Gegenteil! Sondern gegen uns.

Die " Geiz ist Geil" Mentalität. Sparen, was das Zeug hält. Fleisch, jeden Tag, Luxusgüter "on demand", also auf Abruf. Doch wer zahlt die Rechnung? An der Kasse erst einmal wir, als Konsument. Fein, wieder ein Schnäppchen "geschossen". Zum Discountpreis! Selbstverständlich!

Am liebsten noch mit 30% Rabatt, und payback Spielereien um das Tafel-service oder Messerset zum Vorteilspreis zu ergattern. Aber auf die nahe Zukunft gesehen?

Die Pflanzen und Tiere, die wir ausbeuten, vernichten, überzüchten, ausrotten. Doch in ferner Zukunft? Ja, WIEDER wir selbst? ! ?

Da sind's doch wieder wir, die Menschheit, jene, die zahlen. Mit Allergieren, Resistenzen, Unverträglichkeiten, Unfruchtbarkeit und was man sich noch ausmalen mag. Und nicht zum Schluss mit dem schön gestalteten Bild im "alten Biologiebuch", das uns Pflanzen und Tiere zeigt, exotisch anmutend, aber nein, damals heimisch, fast lästig, doch jetzt längst ausgestorben.

Ob Kornrade, kleine Brennessel oder schlichtweg der Mohn und die Kornblumen am Feldrand , mitsamt dem Haussperling und der Mehlschwalbe.

Düstere Zukunftsvision? Absolut. Übertrieben? Ein wenig! Möglich? Mehr als das!

Doch nicht von der Hand zu weisen.

Lassen wir es nicht soweit kommen, dass wir, die Menschheit, eines Tages selbst in diesem Biologiebuch der Vergangenheit stehen....... .

Die Kornrade ist zurück. Sie findet wieder Raum. Raum, wo die konventionelle Landwirtschaft versagt, oder dort, wo engagierte Menschen wie Walter Kintzel und seine Mitstreiter der Kornrade und vielen anderen Kulturen wieder Raum zum Leben schaffen, Raum um Leben - Überleben zu schützen.

Geben wir der Kornrade....nein UNS...doch ein wenig mehr Raum...für UNS, unsere Zukunft.

Back To The Roots.......Zurück zu den Wurzeln....... nur ein wenig......und doch so viel.......


MWM, Woosten

Das arme Mächen und die Großmutter

Es war einmal eine Großmutter, die von ihren Enkelchen sehr geliebt wurde. Auch in dem Dörfchen, in dem sie lebte , war sie bei allen sehr beliebt, weil sie so gutmütig war.
Großmütterchen hatte ein schweres Leben.Früh mußte sie aufstehen, um die Kühe zu melken, um die Hühner zu füttern und um für das Essen zu sorgen. Das war nicht immer einfach, es waren arme Leute. Und doch waren alle sehr genügsam und zufrieden .Wenn mittags oder am Abend alle am Tisch
saßen, freuten sie sich, was die Großmutter vorbereitet hatte. Es schmeckte doch immer und war auch reichlich.
Nachmittags nahm die Großmutter sich oft Zeit für die Enkelchen. Wenn nämlich alles fertig war, holte sie das große Märchenbuch hervor, setzte sich auf den alten Sessel und las den Enkeln Geschichten vor. Das war eine Freude für den Jungen und das kleine Mädchen. Beide saßen dann auf dem Fußboden und lauschten gespannt, was die Oma zu erzählen hatte oder vorlas. Für Momente waren alle in einer anderen Welt.
Außerhalb des Dörfchens lebten sehr arme Leute. Sie waren zugezogen, fühlten sich fremd. Und doch gab es im Dorf Menschen, bei denen sie willkommen waren.
Jeden Tag kamen am Haus der Großmutter ein kleines blondes  Mädchen vorbei , die Haare zottelig , die Nase lief, immer barfuß, denn Schuhe hatte sie nicht. Ihre Schulsachen hatte sie mit Band zusammengebunden...
Der Weg von außerhalb war für die Kleine sehr lang. Die Großmutter beobachtete das und bat das Kind rein, damit sie etwas ausruhen konnten. Da freute sich das Mädchen. Es gab nämlich auch jedesmal etwas zu essen - und Hunger hatte sie  immer.
Und so kam es, dass sie jeden Tag kam und fragte - Oma, hat du einen Knusten und eine Schwarte? Die liebe Großmutter hatte immer etwas zu essen für das Kind.
Eines Tages kam das Kind nicht mehr, die Großmutter wartete und wartete...das Kind kam nie wieder. Bei Nacht und Nebel war es mit den Eltern fort, weit weg in einen  anderes Land, wie man später hörte. Noch oft dachte die Großmutter an das kleine blonde Mädel und was wohl aus ihr geworden ist...


Jahre vergingen, viele Jahre....die Großmutter starb.Die Enkel waren inzwischen groß geworden, haben die Großmutter und ihre Geschichten und das gute Essen, die Zeit mit ihr, nie vergessen. Und oft dachten sie auch an das kleine Mädchen , das so oft eine Stückchen Brot und eine Schwarte bekam.
Und dann fuhr eines Tages ein ganz großes Auto durch das Dörfchen.In ihm saßen eine feine Dame und ein elegant gekleideter Herr. Langsam fuhren sie, sahen hin und her, fuhren weiter.
Auf dem Rückweg fuhren sie wieder langsam an den Häusern vorbei, sahen durch die Autoscheiben hier und da hin, hielten nicht einmal  an.
Später wurde erzählt, dass es das kleine Mädchen war, das mal in dem Dörfchen, weit hinten, wohnte und nun einen feine Dame und reich geworden war.
Sie hatte vergessen, wer ihr einmal sehr geholfen hatte....
km

Die kleine rote Kerze

Sie lag ganz unten in dem Karton mit den Weihnachtsdingen für den Tannenbaum. Kugeln, hauchdünn und bunt, Lametta , Strohsterne, eine kleine Trompete, Glöckchen und noch viel mehr waren in diesem alten Karton zu finden. Es müßte bald wieder Weihnachten sein, dachte die kleine rote Kerze und hoffte, in diesem Jahr gebraucht zu werden, wer weiß. Ach, ihre Schwestern waren schon lange nicht mehr da; sie hatten ihren Glanz und den leuchtenden Schein.

Von Jahr zu Jahr hoffte die kleine Kerze, endlich auch auf dem Gabentisch zu stehen oder vielleicht sogar am Weihnachtsbaum zu brennen. Immer zu dieser Zeit wurde der alte Karton hervorgeholt und die Kugeln, die Trompete, das Lametta und die Strohsterne bewundert und dann zum Schmücken herausgeholt. Nur die kleine Kerze nicht .Was sollte man auch mit einer einzelnen Kerze anfangen. So dachte sie nach , ließ den Docht hängen und schlief wieder ein.

Und dann wurde es plötzlich unruhig in der alten Kommode. Jemand versuchte, die Schublade zu ziehen. Michel, kaum 2 Jahre alt, zog und zog, aber die Lade wollte sich nicht ziehen lassen. Endlich kam der Papa und half. Endlich war es geschafft und der Karton mit den Geheimnissen, die der kleine Junge noch nicht kannte, wurde aus der Kommode genommen.

In der Stube stand er schon, der große Tannenbaum, den die zwei aus dem Winterwald geholt hatten. Er duftete nach Wald und Frische. Nun sollte er wohl geschmückt werden.

Der alte Karton war noch zugedeckt. Früher, es muss lange her gewesen sein, waren einmal Kekse drin. Das erkannte der kleine Junge sofort. Sorgfältig hob er den Deckel an und dann wurden die Augen immer größer und leuchteten vor Freude. Was für ein Schatz in diesem Karton. Die kleinen Händchen nahmen vorsichtig eine bunte Glaskugel heraus. Wie schön sie war! Der Vater erklärte, dass man mit ihr sehr vorsichtig umgehen müsse, denn sie seien ganz gewiß sehr alt. Schon sein Großvater hätte sie an den Tannenbaum gehängt. Auf dem Fußboden sitzend betrachteten die zwei nun die Dinge, die in dem alten Karton zu sehen waren und der Vater konnte zu jedem Teil etwas erzählen, alles hatte eine Geschichte - die bunte Kugel , die von Tante Paula mal geschenkt worden war, vor langer Zeit, der Strohstern, den seine Mutti gebastelt hatte, der silberne Zapfen, den sein Opa für ihn zum Baumschmücken angefertigt hatte...Michel sah sich alles genau an und hörte seinem Vater gespannt zu.

Plötzlich fand er ganz unten die kleine rote Kerze. Endlich, endlich, so dachte die kleine Kerze, endlich werde ich in die Hand genommen und ihr Docht zitterte vor Freude. Der kleine Junge umschloß mit seinem Händchen fest die rote Kerze. Was für eine Freude. Ja, der Vater wußte zu berichten, dass sie schon immer hier lag und dann immer wieder aufgehoben wurde.

Und warum brennt sie nicht, fragte das Kind, warum macht man sie nicht an? Am Tannenbaum lag eigentlich schon die Lichterkette, die der Vater anbringen wollte. Er überlegte einen kleinen Augenblick, sah sein Kind an, sah die fragenden Augen und hatte plötzlich einen guten Gedanken. Warum nicht wieder...ja, warum eigentlich nicht. Er ging zur alten Kommode und suchte noch einen Karton. In dem waren die alten Kerzenhalter aus Großvaters Zeiten. An einigen war noch der Kerzentalg der vergangenen Weihnachtsfeste, als es die Lichterketten noch nicht gab.

So etwas hatte der kleine Junge noch gar nicht gesehen. Wunderschön Geformt, zum Aufkneifen und mit Kleckertalg, sehr spannend... Er hatte noch immer die kleine Kerze in der Hand. Ob er mich wieder in den Karton legt, dachte sie... aber vielleicht, vielleicht....sie wurde ganz aufgeregt... Michels Vater suchte und suchte in der alten Kommode bis er auf einmal etwas fand - ein Schachtel mit vielen weißen kleinen Kerzen. Was für eine Freude.

Nun probierte man zusammen, ob wohl die Kerzen passen würden... Michels Augen leuchteten. Er gab dem Vater die kleine rote Kerze..Und sie passte ganz genau in den alten Kerzenhalter. Was für ein Gefühl für die kleine Kerze. Der Vater und Michel suchten einen schönen Platz am Tannenbaum aus. Klein war sie ja, und rot, aber zu all den anderen weißen passte sie schon sehr schön.

Kugel für Kugel, Trompetchen, Zapfen und Strohstern wurden schön angebracht und als das Lametta noch dazu kam, war alles wunderschön. Der kleine Junge freute sich und sah immer zu seiner roten Kerze. Am Abend kam die Mutter nach Hause und sah den schön geschmückten Tannenbaum. Keine Lichterkette ? Nein, so wars doch viel schöner. Aber noch mußte die kleine Kerze etwas warten, denn das Fest sollte erst kommen.

Nachts träumte sie am Baum vom Glanz und dem Schein, sie konnte kaum einschlafen vor Aufregung. Auch den kleinen weißen Kerzen ging es ähnlich, auch sie lagen schon so lange, wenn auch zusammen, in der alten Kommode. Am nächsten Tag aber sollte ihr aller Traum endlich in Erfüllung gehen. Draußen schneite es, in der Stube wars mollig warm und es duftete nach Bratapfel. Auf dem Tisch war der Bunte Teller mit Nüssen, Schokolade, Kringeln und Apfelsine für den kleinen Michel.

Als er die Stube betrat, leuchteten seine Augen, denn er sah den wunderschönen Tannenbaum mit der kleinen roten Kerze. Der Vater zündete vorsichtig alle Kerzen an, zum Schluss die kleine rote. Ihr Docht erzitterte vor Freude, sie merkte, wies in ihr warm und wärmer wurde, wie das Leuchten begann, erst zögerlich, dann in vollem Glanze. Die weißen nickten ihr sachte zu ; für alle ging der langersehnte Traum in Erfüllung. Was für eine Freude für den kleinen blonden Jungen - der fühlte, wie sich die kleine rote Kerze freute....

Sie spendete an diesem Fest Wärme und bereitete große Freude - so, wie sie es sich ein Leben lang gewünscht hatte....

km

Weihnachtsgedanken

In diesen Tagen wird es besinnlich, der Baum zum Fest wird ausgesucht, die Geschenke werden eingepackt, es werden Plätzchen gebacken und noch viel mehr. Und so manch einer denkt wohl auch an die vergangene Zeit der Kinderjahre zurück.

Irgendwie war's damals besonders schön. Man lebte in den 50 /  60 er Jahren viel bescheidener. Heute ist schon im August Weihnachten - jedenfalls, wenn man an die Läden denkt. Apfelsinen gibt es
immer, man kann wohl immer alles kaufen, wenn man möchte. Und wie war's damals, erinnert man sich noch ?

In der Schule war's in dieser Vorweihnachtszeit sehr schön. Alle Kinder in Woosten machten beim
Weihnachtsmärchen mit, das unsere Lehrer, Herr Kettner und Frau Bielke, mit uns einstudierten. Das war immer sehr spannend. Lange wurde geprobt, alles musste sitzen, jedes Kind hatte einen kleine Rolle und wenn's nur ein Tannebaum war. Dann wurde das Theaterstück auf der für uns
grossen Bühne im Wooster Kulturhaus aufgeführt. Im Ofen bollerte das Feuer und wärmte den Raum. Alle Eltern und Grosseltern waren die Zuschauer. Beifall war der Lohn- und das war wunderschön. Gleichzeitig probten wir Kinder aber von der Kirche aus mit Pastor Schmidt (er ist heute im Ruhestand und lebt in Finnland) das Krippenspiel. Auch hier waren fast alle Kinder dabei. Am Heiligen Abend wurde es dann aufgeführt. Und wieder Herzklopfen...und Freude, wenn alles klappte - In der Adventszeit fuhren Oma, Opa und Mutti  mit Pferd und Wagen nach Wendisch Waren, um bei Bäcker Hundt die Kekse zu backen. Ein Waschkorb voll mit weissen Pfeffernüssen und einen voll mit braunen.Die wurden dann in Dosen gepackt und fast alle bis zum Fest verdrückt. Den Weinachts- Baum suchte mein Vater aus, im Wooster Wald, denn  jeder Bauer hatte zu seinem Land auch etwas Wald. Oft holte der Vater den Baum erst am Heiligen Abend, so war die Fichte immer besonders frisch.

Wir Kinder lernten in der Schule etliche Gedichte, denn wenn der Weihnachtsmann kam, dann wollte er auch ein schönes Gedichtchen hören." Es dunkelt schon bald und draussen im Wald geht leise die Säge, man hört ein paar Schläge, der Baum wird gefällt, ders Fest uns erhellt..."- so begann eines meiner Lieblingsgedichte. Von Hektik vor dem Fest oder so, haben wir Kinder nichts mitbekommen. Wir waren nur gespannt und neugierig. Aber alles Schnüffeln half nichts, Mutti hatte die Geschenke bestens versteckt. Oder war's der Weihnachtsmann, bestimmt.

Am Heiligen Abend gingen wir Kinder mit dem Opa zur Kirche.Dort war's kalt, aber der Tannenbaum mit seinen Kerzen machte diese Stunde besonders schön, mal mit, mal ohne Krippenspiel. Und wenn's dann vorbei war, die Glocken noch läuteten, dann rannten wir heim. Wer ist zuerst zu Hause. Opa hatte Mühe, nachzukommen, aber rein kamen wir erst, wenn alle da waren. Inzwischen hatten die Eltern ordentlich geschafft. Der Baum war geschmückt, die Weihnachtsdecke aufgelegt, die bunten Teller gefüllt und bereitgestellt. Die Tür zur Wohnstube aber verschlossen. Ohhhjehhh, nun gab's erst einmal Kartoffelsalat mit Bockwurst. Und Kinder haben an so einem Abend gar keinen Hunger! Man muss ganz schön geduldig sein. Aber dann endlich, dann schloss der Vater die Tür zum Wohnzimmer auf, die Kerzen am Baum brannten, wie schön. Auf Socken standen wir dann da, denn zum Fest gab's immer neue Wollsocken, die die Oma gestrickt hatte.Und die Geschenke ? Na gut, zuerst wurde der bunte Teller in Augenschein genommen. Eine Apfelsine für mich ganz allein, das war aber was. Die Nüsse wurden
gezählt und mit denen des Bruders verglichen.Stimmte aber ganz genau !
Plötzlich klopfte es und herein trat der Weihnachtsmann mit einem Wäschekorb voller Geschenke. Die Gedichte wurden aufgesagt und dann gab's große Freude. Der Weihnachtsmann wusste nämlich immer ganz genau, was man sich so wünschte : Pferd und Wagen, Eisenbahn, Puppe, neue Kleidung für die ältere Puppe. Mit Papa und Mutti, Oma und Opa wurde dann gespielt, es wurde genascht, Süsses wurde getauscht - Marzipan gegen Kringel... Und die Kringel am Baum wurden auch gezählt, man weiß ja nie,
die Nacht ist lang. (so sind eben Geschwister).

Am Weihnachtstag gab's immer Entenbraten mit Rotkohl und am Nachmittag Besuch. Ich erinnere mich
auch an viel Schnee in der Weihnachtszeit - also gingen wir immer in den Wald zum Rodeln, fast alle Kinder aus dem Dorf, es war sehr schön. Nach dem Fest, wenn der Baum abgeschmückt wurde, spielten wir mit dem Baum auf dem Hof im Schnee : Vater , Mutter, Kind - und die Rollen waren immer gleich. Eine schöne Kinderzeit. Schlicht und doch so erfüllt. Und gerade an diesen Tagen vor Weihnachten, da denkt man gern zurück, nimmt das Fotoalbum zur Hand...       

km


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